Dienstag, 10. April 2018

Der Autor – Wer ist das und wenn ja, wie viele?

Dass das Verhältnis zwischen Autoren und Lesern bisweilen von Mythen geprägt ist, passiert. Beispielsweise weil nicht zwischen den in einem Buch handelnden, fiktiven, Figuren und dem Autor selbst unterschieden wird und eine Figur mit problematischen Einstellungen dazu genutzt wird, dem Autor selbige Einstellungen zu unterstellen.
Manchmal ist es aber auch der Autor selbst der einen Mythos fördert. Beispielsweise durch ein Pseudonym, das es so aussehen lässt, als gehöre der Autor zu einer anderen ethnischen Gruppe als er es tatsächlich tut.
Oder man geht davon aus, das Buch sei von einem Mann geschrieben worden, weil „Max Mustermann“ als Autor angegeben ist, während das Buch in Wirklichkeit von Sabine Musterfrau geschrieben wurde.
Und dann gibt es auch noch den Fall von Autoren, die mehrere Pseudonyme haben.
Gemeinhin wird das einfach hingenommen. Aber manchmal gibt es Fälle, die zu Empörung führen. Wie dieses Jahr der Fall von Santino Hassell.
Das hat in meinem Umfeld, insbesondere unter den mir bekannten Autoren, zu Diskussionen geführt, was noch in Ordnung ist und was schon nicht mehr geht.
Da ich mir ebenfalls Gedanken gemacht habe, soll es darum gehen, was wirklich nicht geht, d.h. auch mit dem Gesetz in Konflikt steht, was in meinen Augen kritisch zu sehen ist und wo ich kein Problem sehe.


Zum Fall Santino Hassell:

Der Autor gab sich selbst als bisexueller, alleinerziehender Vater aus, begann unter diesem Namen Liebschaften mit Fans und behauptete zudem, an Krebs zu leiden und startete eine Spendenkampagne. Offenbar alles Schwindel. Außerdem hat er offenbar intime Details aus dem Leben seiner Liebschaften in seinen Büchern verarbeitet. Ein Teil seiner Bücher wurde daraufhin von den Verlagen aus dem Sortiment genommen.

Was meint das Gesetz dazu.

Prinzipiell ist es einem Autor nicht verboten, ein Pseudonym zu nutzen. Auch ein geschlossenes Pseudonym, d.h. eines, bei dem außer dem Autor (und dem Verlag, der ja die echte Person dahinter bezahlen muss) niemand bekannt ist, wer wirklich hinter diesem Namen steckt, ist nicht verboten. Und wenn eine Frau einen Männernamen annimmt oder umgekehrt, kann man sich als Leser deshalb auch nicht beschweren, selbst wenn man das Buch nicht gekauft hätte, wenn man gewusst hätte, das jeweils andere Geschlecht vor sich zu haben. Würde man nun allerdings die Identität eines Prominenten annehmen, könnte das dazu führen, dass man Ärger bekommt, weil man einem anderen Menschen schadet und sich, je nachdem, auch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (einer scheinbaren Autobiographie zum Beispiel) bereichert. Ansonsten darf man, rein gesetzlich gesehen, auch bei der Autorenvita ungestraft flunkern. Nimmt man natürlich, wie im Falle von Santino Hassell, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Geld ein und behält dieses auch, erfüllt man damit den Straftatbestand des Betrugs und kann ordentlich Schwierigkeiten bekommen, wenn man auffliegt. Denn Betrug ist eben nicht nur unfein, sondern auch eine Straftat. Aber merke: Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist auch ungesetzlich! Von daher ist das Gesetz allein da vielleicht nicht der einzige zählende Ratgeber.

Die Dos und Don'ts in meiner persönlichen Ansicht

Es gibt drölfzig Millionen Gründe, warum ein Autor seinen Namen nicht auf dem Cover seines Buches lesen möchte. Ein Polizist, der blutige Horrorsplatter schreibt, könnte damit seine Karriere ebenso gefährden, wie der Pfarrer, der Erotikromane schreibt. Aber auch ein sehr konservatives Lebensumfeld kann dazu führen, dass man lieber nicht möchte, dass bekannt wird, was man da schreibt. Das ist in meinen Augen auch vollkommen legitim. Jeder Mensch, auch jeder Kunstschaffende hat ein Recht auf Privatsphäre und darauf, dass er seine Geheimnisse für sich behalten darf.
Dann gibt es den Fall, dass der echte Name eines Autors Nachteile mit sich bringt. Eine Frau , die ScienceFiction schreibt, hat ebenso Nachteile wie ein Mann im Romance-Genre. Schwachfug, wenn man mich fragt, aber eben Schwachfug, der leider real ist. Und in diesem Fall sorgt ein Pseudonym, das auf das jeweils andere Geschlecht hindeutet oder eben geschlechtsneutral ist, dafür, die Startbedigungen für das eigene Buch anzugleichen. Auch das ist legitim.
Weiterhin sollte man bedenken, dass der Name des Autors eine Marke ist, wie jede andere Marke auch. Und eine Marke steht nun einmal für etwas Bestimmtes. Bedeutet, wer Stephen King auf einem Cover sieht, erwartet keine leichte Romanze.Aber auch ein Autor, der sein Genre gefunden hat, möchte einmal etwas ausprobieren, hat eine Idee, die nicht zu seinem bisherigen Image passt oder hat schlicht einen Verlag, der den Autor als Marke exklusiv haben will. In diesem Fall ist ein Pseudonym einfach die Möglichkeit, mehrere Vorlieben auszuleben. In meinen Augen ebenfalls völlig in Ordnung.
 Auch Neugierde ist für mich legitim. Zu sehen, wie die eigene Schreibe unter verschiedenen Namen ankommt, ist einfach ein Austesten des Marktes, ohne dass jemandem Nachteile entstehen, das ist ungefähr so normal wie das Schicken von Waschmittelproben, wenn was Neues auf den Markt kommt.

Während es für mich in Ordnung ist, Nachteile auszugleichen, sehe ich es kritisch, sich Vorteile zu erschwindeln. Gibt sich ein Autor, der beispielsweise über Japan schreibt, als Japaner aus, bedeutet dies zweierlei: Zum einen behauptet der Autor, Ahnung von dem zu haben, was er schreibt und vermittelt damit vielleicht ein vollkommen falsches Bild von Japan. Zum anderen verschafft sich der vermeintliche Japaner dadurch einen Vorteil, weil die Leser sich darauf verlassen, dass ein Japaner gut über Japan schreiben kann.
Gibt sich der Autor beispielsweise als Taucher, Fallschirmspringer oder Free-Climber aus und hat dann womöglich noch schlampig oder gar nicht recherchiert, kann das sogar Leser in Gefahr bringen, die den Informationen aus den entsprechenden Büchern vertrauen. Das geht in meinen Augen überhaupt nicht, denn auch wenn unsere Leser eigene Menschen mit eigenen Entscheidungen sind, haben wir als Autoren immer noch eine gewisse Verantwortung gegenüber den Botschaften und Informationen, die wir vermitteln.
Das Gleiche gilt für mich, wenn ein Autor sich ein ausländisch klingendes Pseudonym zulegt, um Ausländerfeindlichkeit hinter dem "Ich bin doch selbst Ausländer, also kann ich doch nicht fremdenfeindlich sein" zu verstecken. Geht gar nicht!
 Und während es völlig okay ist, wenn ein Protagonist in einem Buch problematische Ansichten hat, um damit zu arbeiten, darf sich ein Autor in meinen Augen nicht hinter einem Pseudonym verstecken, wenn er selbst problematische Inhalte verbreiten will.

Zusammengefasst halte ich es hier wie mit unseren Gesetzen: Die Freiheit des Autors, auch was Pseudonyme und Viten angeht, hört da auf, wo andere Menschen eingeschränkt werden.

Im Übrigen gilt das alles natürlich auch für Autorinnen, ich will hier niemanden diskriminieren und habe nur aufgrund der leichteren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form benutzt.