Dienstag, 22. März 2016

Gedanken über das Schreiben angesichts der aktuellen Ereignisse

Brüssel. Istanbul. Ankara. Paris.
Wenn man aktuell in die Nachrichten schaut, wird einem bisweilen ganz anders. Anschläge, Tod, Hass auf beiden Seiten, Nachrichten, bei denen man dringend wegschalten möchte.
Und dann sitzt man als Dystopien-Autor oder insgesamt als Autor, der die menschlichen Abgründe verarbeitet, bisweilen da, starrt auf Bildschirme, auf denen unerwünschterweise die Abgründe, die man beschrieben hat, zum Leben erwachen. Und unwillkürlich fragt man sich dann: Darf man das? Darf man jetzt, wo sie unsere Welt ganz real und ganz in unserer Nähe erschüttern übder Bürgerkriege, über Terror und Fremdenhass schreiben?
Inspiriert zu diesem Artikel hat mich maßgeblich eine Autorenkollegin mit diesem Blogartikel.

Ich habe natürlich nicht die ultimative Wahrheit, aber was diese Frage angeht, beantworte ich sie ganz entschieden mit "JA!".
Wir Autoren dürfen das in meinen Augen nicht nur, wir müssen!
Natürlich ist es auch wichtig, dass man sich gelegentlich auch zur Erholung in ein Buch verkrümeln kann, in dem alles in Ordnung ist, oder zumindest alles in Ordnung kommt, aber diese Bücher ändern nichts. Und dann bleibt uns nur die Flucht nach vorn. Das heißt in diesem Fall: Darüber schreiben! Aufrütteln oder zumindest Verständnis wecken.
Und wir Autoren haben da einen entscheidenden Vorteil.
Wir müssen uns nicht mit existierenden (schwachsinnigen) Ideologien rumschlagen, die ein Verständnis teilweise deshalb zerstören, weil die Anhänger der Ideologie abblocken, bevor so etwas wie Verständnis überhaupt aufkommen kann.
Als Autor muss ich mir nicht unbedingt überlegen, wie ich nun vielleicht an islamophobe oder rassistische Mnschen rankommen könnte, da ich genauso gut auch über inexistente Völker schreiben kann. Möglicherweise rüttle ich damit aber den ein oder anderen Mitläufer auf. Zumindest habe ich als Autorin noch die Hoffnung.
Und so wie Karikaturisten nach den Anschlägen auf "Charlie Hebdo" weitergemacht haben, weil sie etwas zu sagen hatten, müssen auch wir Autoren weitermachen, selbst wenn wir Gegenwind bekommen oder gar als Nutznießer der Katatstrophen beschimpft werden.
Wenn wir aus Angst, möglicherweise die Überlebenden zu verletzen oder wiel wir glauben, nicht an solchen Geschichten rühren zu dürfen, aufhören, über diese Themen zu schreiben, haben wir den ersten Schritt gemacht, uns mundtot machen zu lassen. Und da es uns nicht gegeben ist, die Welt im Gesamten zu verändern, müssen wir eben versuchen, sie im Kleinen besser zu machen. Dadurch, dass wir aufrütteln, dass wir Mitleid erzeugen, dass wir zeigen, in welchen Abgründen sich Menschen wiederfinden.

Montag, 14. März 2016

Der Moment, in dem einem der eigene Realismus Angst macht

Zugegeben, als Autorin treibe ich mich gerne in menschlichen Abgründen herum. Aber selbst wenn ich Wert auf Realismus in meinen Werken lege, bleiben es fiktive Werke. Aber gestern Abend musste ich feststellen, dass ich manchmal lieber nicht so realistisch geschrieben hätte.
Wie so mancher andere auch habe ich die Wahlergebnisse mit einer ziemlichen Fassungslosigkeit verfolgt und mich gefragt, was um alles in der Welt mit der Gesellschaft, in der ich lebe, kaputt ist.
Da ich gerade mit dem Lektorat meines dystopischen Debüt-Romans beschäftigt bin, ist der natürlich sehr präsent in meinen Gedanken.
Und während ich am Sonntagabend noch fassungslos auf den Bildschirm starrte, ertönte in meinem Kopf ein Stimmchen, das fragte: "Ist bei der Gesellschaft des Romans etwas anderes kaputt, als in der realen Gesellschaft?"
 Und das führte dazu, dass ich am Sonntag das Lektorat weggelegt habe.
Weil ich die Frage mit "Nein" beantworten musste.
Auch in dieser Dystopie versuchen Menschen mit halbwegs anständigen Absichten etwas zu bewirken und sorgen dafür, dass die Gesellschaft arg in Mitleidenschaft gezogen wird.
Und das ist es, was mir Angst macht: Dass wohlmeinende, aber vom Status quo enttäuschte Menschen zu unkritisch sind und das Ganze zu einer Eskalation der Lage führt. Und ganz ehrlich: Diese Eskalation möchte ich nicht erleben!
Wenn ich oder auch andere, befreundete Autoren beim Lesen von Parteiprogrammen (ja, ich spiele auf die AfD an) Déjà-vu-Erlebnisse in Bezug auf ihre Dystopien haben, dann macht mir das Angst. Dystopien heißen ja nicht umsonst so.
Und so gerne ich auch Dystopien schreibe, erleben will ich sie wirklich nicht!
In diesem Roman habe ich Wert darauf gelegt, die Menschen nicht als Monster darzustellen, es sind Menschen, die im Großen und Ganzen nur das Beste wollen. Und deshalb bin ich gerade auch so betroffen. Feststellen zu müssen, dass freundliche, gebildete, hilfsbereite Menschen, kurz also Menschen, die man mögen möchte, sich als Mitglieder der AfD entpuppen, drängt einem den eigenen Roman mit dem Holzhammer auf. Wahrscheinlich habe ich gerade auch deshalb solche Angst, obwohl ich nicht der Mensch bin, der zu Zukunftsängsten neigt.
Aber ich gehöre in beiden, von mir ausgeübten Tätigkeiten, Gruppen an, die darauf angewiesen sind, sagen zu dürfen, was sie sagen wollen. Ich muss als Studentin der Sozialen Arbeit und dieses Jahr hoffentlich auch staatlich anerkannte Sozialarbeiterin auf Missstände aufmerksam machen dürfen, ebenso wie ich als Autorin einpacken kann, wenn gewisse Strömungen die Oberhand gewinnen.
In beiden Berufen bin ich auf unsere freiheitliche Gesellschaft angewiesen und auch als Person möchte ich sie behalten. Von daher hoffe ich, dass es bei einem Warnschuss und unangenehmen Déjà-vus bleibt!