Freitag, 30. Oktober 2015

Schwertkampfvorführungen auf einer Tagung und der literarische Anspruch der Fantasy

Wer mich kennt, weiß, dass ich auch noch ein paar Hobbies außerhalb des Schreibens pflege. Und eine ganz große Leidenschaft ist die Kampfkunst und dabei allem voran der mittelalterliche Schwertkampf.
Und dieses Hobby war es letzten Endes, das mich Anfang Oktober auf eine wissenschaftliche Tagung führte.

Genauer gesagt handelte es sich dabei um die Tagung "Winter is coming - kulturwissenschaftliche Perspektiven auf George R.R. Martins A Song of Ice and Fire/GoT" der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die vom 9. bis zum 11. Oktober auf der Blutenburg in München stattfand.

Nun bin ich ja weder Literatur- noch Kulturwissenschaftlerin, sondern die Fakultät, an der ich studiere, sind die Sozialwissenschaften. Rein aus der wissenschaftlichen Perspektive heraus wäre ich also wahrscheinlich fehl am Platze gewesen. Aber da mein Trainer Germanist und Philosoph ist und zufällig eben auch Fechter, ergab es sich, dass er als Referent eingeladen wurde und meine Wenigkeit und ein weiterer Fechter aus meiner Trainingsgruppe als "Anschauungsmaterial" fungierten.
Nun mag man sich vielleicht tatsächlich auf den ersten Blick fragen, was eine Schwertkampfvorführung auf einer Tagung, die sich mit einem literarischen Werk beschäftigt, zu suchen hat. Und ich bin es gewohnt, dass unsere Gruppe merkwürdig beäugt wird, wenn wir trainieren. Ja, es ist sogar schon so weit gekommen, dass jemand die Polizei gerufen hat, weil "ein Irrer mit Schwert" auf dem Uni-Campus herumläuft.
Ich war also geistig dagegen gewappnet, als fachfremder Freak von den Tagungsteilnehmern nicht besonders ernstgenommen zu werden - und habe mich komplett getäuscht.
Meine Antworten bei der an den Vortrag folgenden Diskussion wurden genauso aufgenommen wie die meines Trainers und ich hatte nicht den Eindruck, dass jemand mich nicht ernstnahm. Ich muss mich also definitiv bei den vermeintlichen "Elfenbeinturmbewohnern" entschuldigen, da hatte ich Vorurteile, nicht anders herum!
Aufgrund von Hotelchaos und gesundheitlichen Problemen war es unserer Gruppe leider nicht möglich, viel von der Tagung mitzubekommen, aber das, was ich mitbekommen habe, straft definitiv einiges von dem Lüge, was in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung über die Tagung geschrieben wurde.

Zitat aus dem Artikel: "Nicht nur, weil im Tagungssaal eine Ritterrüstung in der Ecke wacht und die Wände mit der Heraldik aus der Serie verziert sind, drängt sich der Eindruck auf, dass nicht alle Teilnehmer den kritischen Abstand zur Fiktion bewahren. Immerhin ist niemand als Ritter oder Ork verkleidet."
Also ich kann nicht behaupten, dass die Vorträge, die ich gehört habe, unkritisch gewesen wären. Lobeshymnen von fanatischen Fans hören sich anders an! Und ich, die ich aus den Sozialwissenschaften komme, wo die persönliche Verbundenheit dem Thema gegenüber geradezu vorausgesetzt wird, verstehe nicht, was das Problem daran sein sollte, wenn sich die Wissenschaftler auch auf privater Ebene für das Thema begeistern.
Aufschluss hierüber gibt auch die Überschrift des Artikels "Drachen und Zombies - streng wissenschaftlich". Hätte Herr Freund von der Süddeutschen Zeitung ein Fragezeichen an das Ende der Überrschrift gesetzt, wäre damit bereits der Inhalt des Artikels mehr oder minder zusammengefasst gewesen. Die Phantastik wird hier wieder einmal in die Ecke des Eskapismus und der Unterhaltungsliteratur für Jugendliche gedrängt.

Aber es soll ja hier nicht so aussehen, als würden hier lediglich getroffene Hunde bellen. Was also hat eine Schwertkampfvorführung auf einer solchen Tagung zu suchen?

Nun, zunächst einmal ganz praktisch und ganz grob aus den Büchern heraus geantwortet. Wie begegnen sich in GoT zwei Charaktere, wenn es nicht über Intrigen und nicht beim Sex ist?
Genau! Im Kampf.
Das sind zwar nicht immer Schwertkämpfe, aber es sind Kämpfe. Nun leben wir aber in einer Zeit, in der physische Auseinandersetzungen (zum Glück) sehr selten geworden sind. Allerdings sind es gerade Kämpfe auf Leben und Tod, die in einem literarischen Werk die Handlung sehr schnell vorantreiben. Ein Kampf dauert im Regelfall nur wenige Minuten. Sehr viel länger ist unwahrscheinlich, denn man glaube mir, nach fünf Minuten bräuchte man bereits dringend eine Pause.
Aber was passiert da eigentlich? In der Vorstellungskraft des heutigen Menschen ist das schwer, zu finden.
Nun erhebe ich wirklich nicht den Anspruch, wir hätten die perfekte Deutung des Ganzen geschaffen. Aber ich kann als Fechter ganz anders mit verschiedenen Begriffen umgehen.
Ein Beispiel wäre die in Büchern und Serie auftauchende Gegenüberstellung von "Rittertanz" und "Wassertanz". Nun ist es natürlich sehr sehr euphemistisch, bei etwas, das der möglichst schnellen Auslöschung meines Gegenübers dienen soll, von "Tanz" zu sprechen. Aber in gewissem Maße hat Martin damit ins Schwarze getroffen. Ein Tanz folgt festen Regeln, wenn ich sie nicht kenne, kann ich nicht mittanzen. Wenn ich die Regeln eines Kampfs nicht kenne, werde ich vermutlich nicht mal lange genug überleben, um zu begreifen, dass ein Kampf überhaupt Regeln hat.
Aber warum gibt es überhaupt den Rittertanz und den Wassertanz? Woher soll ich das wissen, wenn ich damit nie etwas zu tun hatte.
Für einen Menschen, der in einer solchen Umgebung aufwächst, so wie z.B. Arya Stark aus Game of Thrones ist diese Unterscheidung klar. Physische Auseinandersetzungen und selbst blutige Tode sind normal in dieser Welt, wie sich zum Beispiel an Sansa Starks Reaktion auf den gewaltsamen Tod von Ser Hugh vom grünen Tal ablesen lässt. Sie kreischt zwar auf, nimmt es aber ansonsten hin.
Wenn ich aber in der mehr oder minder berührungsfreien Welt der Moderne oder auch schon Postmoderne aufgewachsen bin, kann ich diesen Unterschied nicht kennen.
Wenn man dann aber den Unterschied tatsächlich einmal demonstriert bekommt, wenn man sieht, dass ein halbes Hemd, wie zum Beispiel meine Wenigkeit, einen deutlich größeren Gegner zumindest in Bedrängnis bringen kann, weil der "Wassertanz" die mangelnde Kraft ausgleicht, während ich bei den kraftvollen Wechselhieben des "Rittertanzes" eher mit dem Festhalten meiner eigenen Waffe ringe, dann kommt allmählich auch ein Verständnis dafür, wie sich die beiden Charaktere entwickeln.
Und es mag sein, dass mittelalterlicher Schwertkampf in der heutigen Zeit seltsam anmutet. Aber letzten Endes hat sich unser Körper seit dem Mittelalter nicht nennenswert verändert. Und wenn man die Bewegungen vom Schwert auf einen Regenschirm oder was auch immer an modernen Gegenständen zur Vefügung steht, überträgt, sind wir wieder up-to-date! Und damit letzten Endes auch wieder beim Verständnis angekommen.

Von daher sehe ich das Demonstrieren des Schwertkampfs auf einer solchen Tagung letzten Endes als Möglichkeit, Figuren und ihre Handlungen besser nachvollziehen zu können und damit auch die Symbolik letzten Endes mehr oder minder vollständig verstehen zu können. Von daher sind wir zwar auch Freaks, aber eben nicht nur.



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